Die Umarmung

Alles was erscheint ist göttlich – ob hell oder dunkel… Nichts ist richtig oder falsch…. doch – das Leben ist ein Wunder, verstehen lässt es sich nicht – doch staunend wahrnehmen, spüren…

Vanessa suchte am Esslinger Bahnhof eine Toilette auf. Als sie die Tür öffnete, stockte ihr fasst der Atem. Wow! Jeglicher Gedanke fiel weg. Da war Staunen – Staunen von dem, was nicht nur gesehen, sondern wahrgenommen wurde.
Der Raum war erfüllt von Ruhe und Frieden. Und da stand eine helle Gestalt, die ihre verblutete Unterwäsche im Handwaschbecken wusch.
Eine Gestalt, die wie eine Obdachlose, schmuddelig, verwahrlost wirkte, und auch so roch, doch gleichzeitig hell und aufrecht erschien. Ihre Bewegungen waren voller Anmut, Achtung und Würde. Als sie Vanessa erblickte, huschte ein helles Lächeln über ihr so offenes Gesicht. Wie ein helles Erkennen, in dem es keinen Unterschied gab, so wie ein „Ich bin Du“, das in Liebe unterging, und nichts zurück ließ, als Sein. –

Etwa zwei Wochen später in Esslingen auf dem leeren Marktplatz. Dort, zwischen den Häusern suchte Vanessa eine Toilette auf. Sie nahm zwar eine Frau im Vorraum wahr, und auch den Geruch von Verwahrlosung und beißendem Alkohol, der von ihr ausging. Ohne diese zu beachten wollte Vanessa später wieder den Vorraum verlassen. Doch da sprach sie diese, wie in einer dunklen Wolke von Trübsal umhüllten, Gestalt an: „ Ich erkenne dich wieder.“ lallte sie und torkelt mit weit offenen Armen auf Vanessa zu, und wollte Vanessa in den Arm nehmen. – Upps! – Mit großen Augen schaute Vanessa sie an, und ihre Hände gingen von alleine hoch und griffen nach den Händen der – ja was denn? Denn auch Vanessa erkannte sie jetzt wieder.
Hm, sehr behutsam und doch fest umfassten Vanessas Hände die Hände, die sie umarmen wollten. Als sie sich ansahen, begann diese Frau hemmungslos, mit diesen Worten, zu weinen: „ Gell? Du kannst mich nicht umarmen,“ schluchzte sie. „Hm,“ war die Antwort von Vanessa „wie auch, denn der Geruch vom Alkohol geht mir in den Bauch und mir ist davon leicht übel. Also, hm, bei aller Liebe, es geht nicht, dich körperlich zu umarmen. – Doch, Liebes, du spürst es längst, dass du umarmt bist.“
Ein kurzes offenes, aufflackerndes Lächeln huscht über ihr Tränen überströmtes Gesicht und ihre Hände sanken herab. Im Aufatmen trafen sich still die Augen, und da war Frieden. –